20.07.2022
Kabinettssitzung am 19. Juli 2022
Am 19.07.2022 hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL, eine Sitzung des Ministerrates geleitet. Das Kabinett befasste sich insbesondere mit den Folgen des Krieges in der Ukraine. Über die wesentlichen Ergebnisse der Beratung informierte ich zusammen mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, MdL, in einer Pressekonferenz im Foyer des Prinz-Carl-Palais.
Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL: "Der Süden ist das wirtschaftliche Leistungsherz. Der Bund muss endlich Verträge mit Österreich zur Füllung des Gasspeichers Haidach schließen. Das ist für unsere Energieversorgung entscheidend. Insgesamt müssen alle Gasspeicher schneller befüllt werden. Zudem braucht es den Weiterbetrieb der Kernkraft als Alternative zur Gas-Verstromung im Winter."
1. EU-Beitritt der Ukraine und der Staaten Südosteuropas ohne Abstriche bei EU-Beitrittsvoraussetzungen / EU muss jetzt Fokus auf Stärkung der Wirtschaftskraft und internationalen Handlungsfähigkeit richten
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine rückt wesentliche Grundsatzfragen der EU wie die Versorgungs- und Energiesicherheit sowie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in den Fokus. Besonders die Frage derEU-Erweiterunghat nach Beginn des russischen Überfalls neue Dynamik gewonnen. Die Bayerische Staatsregierung hat sich dazu heute wie folgt positioniert:
- Die Ukraine kämpft für eine Zukunft in der Europäischen Union. Die EU sollte bereit sein, die Ukraine offen aufzunehmen, wenn diese bereit ist. Auch die Staaten in Südosteuropa brauchen eine realistische Perspektive. Die bereits erzielten Reformschritte der Beitrittskandidaten Nordmazedonien und Albanien werden insoweit ausdrücklich begrüßt. Die heute aufgenommenen Beitrittsverhandlungen mit beiden Staaten müssen jetzt auch mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der EU weiter forciert werden. Ein Beitritt der Türkei zur EU ist aus Sicht der Staatsregierung aber weiter ausgeschlossen.
- Die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt sind streng und klar; und müssen dies auch bleiben. Hier dürfen keine Abstriche gemacht werden. Dies wäre weder im Interesse der Beitrittskandidaten noch der EU. Die Union braucht vielmehr schnell individuell angepasste Angebote für Partnerschaften unterhalb einer Vollmitgliedschaft.
- Die Europäische Union und ihre Mitglieder müssen sich jetzt voll darauf fokussieren, die Wirtschaftskraft und internationale Handlungsfähigkeit zu stärken. Es geht um nicht weniger als um Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Eine Debatte zur umfassenden Vertragsrevision der EU lenkt davon ab und sollte derzeit vermieden werden.
- Ein Übergang zu Mehrheitsentscheidungen auf EU-Ebene ist bereits nach derzeitigem EU-Recht möglich. Eine strikte Grenze bilden aber die verfassungsrechtlich geschützten Kernbereiche der souveränen Selbstbestimmung. Wichtige Entscheidungen ohne oder gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten bergen auch die Gefahr, die Einheit, Handlungsfähigkeit und Überzeugungskraft der Union zu schwächen, statt zu stärken.
- Die Ergebnisse der „Konferenz zur Zukunft Europas“ sollten geprüft und im Lichte der aktuellen grundlegenden Herausforderungen der EU angemessen eingeordnet werden. Einen Automatismus zur Umsetzung darf es nicht geben. Notwendig ist zunächst eine strenge Prüfung auf Subsidiarität, Machbarkeit und Finanzierbarkeit. Bei der Einführung neuer Formen der Bürgerbeteiligung im Zuge einer inneren Reform der Europäischen Union wird insbesondere auch darauf zu achten sein, dass diese mit den bereits etablierten, institutionalisierten Verfahren in den Regionalparlamenten korrespondieren und nicht gegenseitig in Konkurrenz treten. Zudem gilt es auch, die regionale und lokale Ebene bei künftigen EU-Reformen stärker einzubeziehen. Entsprechende Initiativen bzw. Vorschläge für eine stärkere, europäische Einbeziehung von regionalen und lokalen Mandatsträgern, wie etwa das vom Ausschuss der Regionen ins Leben gerufene Netz regionaler und lokaler EU-Beauftragter, wird die Staatsregierung künftig noch stärker forcieren.
- Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Länder umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle weiteren Schritte zu unterrichten und die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Länder im weiteren Prozess gemäß den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen.
2. Staatsregierung setzt mit Neugestaltung der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg zentrale Maßnahmen des Gesamtkonzepts Erinnerungskultur um
Bayern steht für eine lebendige Erinnerungskultur und weiß um seine historische Verantwortung, nachfolgenden Generationen ein umfassendes Wissen über die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu vermitteln. Der Freistaat bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung für den Erhalt und die Erschließung der Erinnerungsorte an die Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Staatsregierung will deshalb im Rahmen des im Januar 2020 beschlossenen Gesamtkonzepts Erinnerungskultur unter anderem die KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg neugestalten.
Die KZ GedenkstätteDachauist zentraler Opferort, an dem die Gesamtgeschichte der Konzentrationslager in einzigartiger Weise aufgearbeitet und ihrer Opfer gedacht wird. Auf dem Areal werden die beiden in den 1960er Jahren rekonstruierten Häftlingsbaracken neu in das Gesamtkonzept eingebunden. Dabei wird das westliche Gebäude, das bislang nicht öffentlich zugänglich war, in ein neues Bildungszentrum mit multifunktionalen, voll digitalisierten Gruppenräumen zur Vor- und Nachbereitung von Gruppenführungen, für Seminare oder anderweitige Veranstaltungen umgewandelt. Die Umgestaltung des bereits jetzt öffentlich zugänglichen östlichen Gebäudes soll zukünftig eine umfassendere Darstellung und einen weitaus realistischeren Einblick in das tägliche Leben der Häftlinge geben und zugleich das riesige Areal der nur mehr umrisshaft dargestellten Baracken analog und digital erschließen. Gleichzeitig wird auch die in den Jahren 2010 und 2011 begonnene Sanierung des Ostflügels des ehem. Wirtschaftsgebäudes fortgesetzt.
Das Steinbruchareal inFlossenbürgist der Nukleus des Lagersystems Flossenbürg. Hier wird das historische Verwaltungsgebäude der DESt (Deutsche Erd- und Steinwerke) saniert. Die DESt, ein SS-Betrieb, organisierte hier die systematische „Vernichtung der Häftlinge durch Arbeit“ im anliegenden Steinbruchareal und war gleichzeitig die Schnittstelle zur zivilen Welt. Das Gebäude soll zukünftig eine zentrale Rolle bei der forschenden und vermittelnden Tätigkeit der Gedenkstätte und ihrer Kooperationspartner tragen. Es wird deshalb teils öffentlich zugänglich sein, für Dauer- und Sonderausstellungen, Führungen und Workshops, und teils Räume für wissenschaftliche Projekte vor allem in Kooperation mit dem Zentrum Erinnerungskultur an der Universität Regensburg anbieten.